Das ewige Eis und der Meeresspiegel
2007 mahnte der Weltklimarat vor einem Abschmelzen der Eisschilder in Grönland und der Westantarktis. Ein Anstieg des Meeresspiegels zwischen vier und sechs Metern wäre die Folge. Dies in einem Zeitraum der nächsten Jahrhunderte, vielleicht auch erst Jahrtausende. Nun prophezeien Forscher der NGO Climate Central in ihrem neusten Statement vom November einen Anstieg um bis zu zwei Meter bereits für das Jahr 2100. Die berechneten Folgen der Erderwärmung haben sich innert kürzester Zeit in die nahe Zukunft verschoben und drohen die Menschheit nun in Form des Meeresspiegelanstiegs bereits in den kommenden Jahrzehnten zu treffen. Derweilen zeigt ein Blick in die Vergangenheit, wie fragil das Zusammenspiel zwischen Eis und Ozean ist.
Martin Zahno und Luisa M. | 01.01.2020
Ellsworth Mountain Range in der Antarktis (Image by skeeze from Pixabay)
Ein Anstieg von einem oder auch zwei Metern hört sich erstmal nicht nach viel an. Und dennoch: Steigt der Meeresspiegel weiter so rasant an, dann werden die Folgen drastisch und bereits in naher Zukunft spürbar sein. Dies betont auch Horst Machguth, Professor für Glaziologie an der Universität Freiburg: „Gepaart mit Sturmfluten kann ein solch neues Meeresspiegellevel zu Hochwasserkatastrophen führen.“ Solche Extremereignisse treten laut den neuesten Berechnungen durch die vergrösserte Wassermenge nicht nur verstärkt, sondern vor allem viel regelmässiger auf. „Gebiete, welche bis weit ins Landesinnere kaum oberhalb des Meeresspiegels liegen, laufen Gefahr, von solchen Fluten getroffen zu werden“, so Machguth weiter. Länder wie Vietnam, Bangladesch oder die Niederlande, aber auch Städte wie Jakarta, Mumbai oder Venedig würden somit bereits in den kommenden Jahrzehnten verstärkt mit Sturmfluten konfrontiert werden. Solche Szenarien wurden von Forschern weltweit bereits in den vergangenen Jahrzehnten prophezeit. Der Zeitraum, in welchen es zu solchen verheerenden Extremereignisse kommen könnte, hat sich nun jedoch deutlich näher zur Gegenwart verschoben. Es handelt sich nicht mehr um Jahrtausende. So geht der Weltklimarat in seinem neusten Bericht vom September 2019 davon aus, dass der Anstieg des Meeresspiegels von sechs Metern bereits im Jahre 2300 erreicht sein könnte. Ein solches Szenario würde jeden der knapp 700 Millionen Küstenbewohner der Welt vor erhebliche Probleme stellen. Grosse Gebiete könnten so permanent unbewohnbar werden. Die Folgen des Meeresspiegelanstieges können somit bereits für die absehbare Zukunft als durchaus bedrohlich angesehen werden. Ebenso bedenklich ist die Situation, wenn man sich mit den Gründen dieses Phänomens auseinandersetzt.
Eisschild in der Antarktis (Image by David Mark from Pixabay)
Woher stammt dieser erhöhte Anstieg?
Um die Gründe für diese neuen Szenarien verstehen zu können, muss man zuerst zwischen Gletschern und Eisschildern unterscheiden. Mit Eisschildern sind die riesigen Eismassen gemeint, welche auf Grönland und in der Antarktis gebunden sind. Obwohl die Gletscherschmelze an sich nur ein geringes Potenzial hat, den Meeresspiegel ansteigen zu lassen, zeigt sich: Rund die Hälfte des Eises, das auf der Welt schmilzt, stammt momentan von Gletschern. „Dies liegt vor allem an der grossen Oberfläche der weltweiten Gletscher“, so Machguth. Die Ablation, bzw. das Schmelzen des Eises, findet in erster Linie an der Oberfläche der Eismasse statt. „Nachhaltig ist dies jedoch nicht“, erläutert der Glaziologe weiter. „Zum Zeitpunkt, an dem der Grossteil der Gletscher weggeschmolzen ist, wird immer noch viel Eis in der Arktis übrig sein, welches noch lange für einen weiter steigenden Meeresspiegel sorgen wird.“ Auch die Ablation der Gletscher auf Grönland hat sich in den vergangenen Jahren mehr verstärkt als man in den Berichten von 2007 angenommen hat.
„Rund die Hälfte des Eises, das auf der Welt schmilzt, stammt momentan von Gletschern.“
Schon jetzt trägt der Grönländische Eisschild einen beträchtlichen Teil zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Deutlich mehr als jenes Eis, welches momentan in der Antarktis gebunden ist. „Die Gründe sind verschieden“, erklärt Machguth, „zum einen liegen grosse Teile Grönlands weit im Süden und zum anderen ist es wichtig zu verstehen, dass es in der Arktis deutlich wärmer ist als am Südpol.“ Dies ist laut dem Glaziologen unter anderem darauf zurückzuführen, dass Grönland von grossen Landmassen umgeben ist. Die Antarktis ihrerseits hat durch ihre von Ozeanen umgebene Lage ein eigenes Klimasystem, in welchem auch in den Sommermonaten Temperaturen unter dem Gefrierpunkt herrschen.
WIBLO Infografik von Luisa M.
Die Antarktis als Risikofaktor
Dass die Antarktis jedoch alles andere als ein stabiles System ist, lässt ein Blick in die Vergangenheit vermuten. Zwischen den letzten beiden Eiszeiten erhöhte sich der globale Meeresspiegel innerhalb der relativ kurzen Zeit von rund 1000 Jahren um bis zu neun Meter und lag phasenweise fünf Meter über dem heutigen Level. Dieser abrupte Anstieg sei nicht allein auf eine schnelle Schmelze zurückzuführen, argumentiert Machguth: „Dieses Ereignis stand mit grosser Wahrscheinlichkeit in Verbindung mit enormen Kalbungs-Events in der Westantarktis.“ Beim sogenannten Kalben brechen ganze Eismassen vom Schild ab und treiben dann auf dem offenen Meer, bis sie schliesslich schmelzen.
Infobox Antarktis
Die geschätzte maximale Eisdicke in der Region Adélieland beträgt 4’776 Meter. Mit einer Oberfläche von rund 13,924 km2 ist die Antarktis flächenmässig grösser als die EU und rund 337 mal grösser als die Schweiz! Zudem herrschen in der Antarktis überdurchschnittlich starke Winde vor. Ganzjährige Windgeschwindkeiten von bis zu 300 km/h sind keine Seltenheit.
Bedrohlich ist dabei die Tatsache, dass in der Westantarktis grosse Teile des vorhandenen Eisschildes anders als in Grönland auf Land liegen, welches sich unterhalb des Meeresspiegels befindet. Falls sich die Westantarktis destabilisieren sollte, könnte eine subglaziale Schmelze die Folge sein. Die Konsequenz einer solchen subglazialen Schmelze sowie der mechanischen Destabilisierung wäre das schnelle Kalben von enormen Massen von Eis. Bei einem Meeresspiegelanstiegspotenzial der Westantarktis von sieben Metern eine bedrohliche Vorstellung. „Solche Szenarien sind jedoch mit Vorsicht zu geniessen, da ein solch plötzliches Ereignis wiederum globale Phänomene wie beispielsweise die Meeresströmungen beeinflussen könnte, welche ihrerseits Auswirkungen auf das Klima haben“, erklärt Machguth.
Auch wenn die Folgen eines solchen Szenarios schwer abzuschätzen sind, sind die kurzfristigen Auswirkungen des Meeresspiegelanstieges schon heute erkennbar. Der Einfluss, welcher dieser Anstieg auf die gesamte Menschheit haben wird, wird nun langsam ersichtlich und spürbar. Folgen eines Prozesses, den man kaum mehr aufhalten, sondern höchstens noch eindämmen kann.
Ellsworth Mountain Range in der Antarktis (Image by skeeze from Pixabay)
Ein Anstieg von einem oder auch zwei Metern hört sich erstmal nicht nach viel an. Und dennoch: Steigt der Meeresspiegel weiter so rasant an, dann werden die Folgen drastisch und bereits in naher Zukunft spürbar sein. Dies betont auch Horst Machguth, Professor für Glaziologie an der Universität Freiburg: „Gepaart mit Sturmfluten kann ein solch neues Meeresspiegellevel zu Hochwasserkatastrophen führen.“ Solche Extremereignisse treten laut den neuesten Berechnungen durch die vergrösserte Wassermenge nicht nur verstärkt, sondern vor allem viel regelmässiger auf. „Gebiete, welche bis weit ins Landesinnere kaum oberhalb des Meeresspiegels liegen, laufen Gefahr, von solchen Fluten getroffen zu werden“, so Machguth weiter. Länder wie Vietnam, Bangladesch oder die Niederlande, aber auch Städte wie Jakarta, Mumbai oder Venedig würden somit bereits in den kommenden Jahrzehnten verstärkt mit Sturmfluten konfrontiert werden. Solche Szenarien wurden von Forschern weltweit bereits in den vergangenen Jahrzehnten prophezeit. Der Zeitraum, in welchen es zu solchen verheerenden Extremereignisse kommen könnte, hat sich nun jedoch deutlich näher zur Gegenwart verschoben. Es handelt sich nicht mehr um Jahrtausende. So geht der Weltklimarat in seinem neusten Bericht vom September 2019 davon aus, dass der Anstieg des Meeresspiegels von sechs Metern bereits im Jahre 2300 erreicht sein könnte. Ein solches Szenario würde jeden der knapp 700 Millionen Küstenbewohner der Welt vor erhebliche Probleme stellen. Grosse Gebiete könnten so permanent unbewohnbar werden. Die Folgen des Meeresspiegelanstieges können somit bereits für die absehbare Zukunft als durchaus bedrohlich angesehen werden. Ebenso bedenklich ist die Situation, wenn man sich mit den Gründen dieses Phänomens auseinandersetzt.
Eisschild in der Antarktis (Image by David Mark from Pixabay)
Um die Gründe für diese neuen Szenarien verstehen zu können, muss man zuerst zwischen Gletschern und Eisschildern unterscheiden. Mit Eisschildern sind die riesigen Eismassen gemeint, welche auf Grönland und in der Antarktis gebunden sind. Obwohl die Gletscherschmelze an sich nur ein geringes Potenzial hat, den Meeresspiegel ansteigen zu lassen, zeigt sich: Rund die Hälfte des Eises, das auf der Welt schmilzt, stammt momentan von Gletschern. „Dies liegt vor allem an der grossen Oberfläche der weltweiten Gletscher“, so Machguth. Die Ablation, bzw. das Schmelzen des Eises, findet in erster Linie an der Oberfläche der Eismasse statt. „Nachhaltig ist dies jedoch nicht“, erläutert der Glaziologe weiter. „Zum Zeitpunkt, an dem der Grossteil der Gletscher weggeschmolzen ist, wird immer noch viel Eis in der Arktis übrig sein, welches noch lange für einen weiter steigenden Meeresspiegel sorgen wird.“ Auch die Ablation der Gletscher auf Grönland hat sich in den vergangenen Jahren mehr verstärkt als man in den Berichten von 2007 angenommen hat.
„Rund die Hälfte des Eises, das auf der Welt schmilzt, stammt momentan von Gletschern.“
Schon jetzt trägt der Grönländische Eisschild einen beträchtlichen Teil zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Deutlich mehr als jenes Eis, welches momentan in der Antarktis gebunden ist. „Die Gründe sind verschieden“, erklärt Machguth, „zum einen liegen grosse Teile Grönlands weit im Süden und zum anderen ist es wichtig zu verstehen, dass es in der Arktis deutlich wärmer ist als am Südpol.“ Dies ist laut dem Glaziologen unter anderem darauf zurückzuführen, dass Grönland von grossen Landmassen umgeben ist. Die Antarktis ihrerseits hat durch ihre von Ozeanen umgebene Lage ein eigenes Klimasystem, in welchem auch in den Sommermonaten Temperaturen unter dem Gefrierpunkt herrschen.
WIBLO Infografik von Luisa M.
Dass die Antarktis jedoch alles andere als ein stabiles System ist, lässt ein Blick in die Vergangenheit vermuten. Zwischen den letzten beiden Eiszeiten erhöhte sich der globale Meeresspiegel innerhalb der relativ kurzen Zeit von rund 1000 Jahren um bis zu neun Meter und lag phasenweise fünf Meter über dem heutigen Level. Dieser abrupte Anstieg sei nicht allein auf eine schnelle Schmelze zurückzuführen, argumentiert Machguth: „Dieses Ereignis stand mit grosser Wahrscheinlichkeit in Verbindung mit enormen Kalbungs-Events in der Westantarktis.“ Beim sogenannten Kalben brechen ganze Eismassen vom Schild ab und treiben dann auf dem offenen Meer, bis sie schliesslich schmelzen.
Infobox Antarktis
Die geschätzte maximale Eisdicke in der Region Adélieland beträgt 4’776 Meter. Mit einer Oberfläche von rund 13,924 km2 ist die Antarktis flächenmässig grösser als die EU und rund 337 mal grösser als die Schweiz! Zudem herrschen in der Antarktis überdurchschnittlich starke Winde vor. Ganzjährige Windgeschwindkeiten von bis zu 300 km/h sind keine Seltenheit.
Bedrohlich ist dabei die Tatsache, dass in der Westantarktis grosse Teile des vorhandenen Eisschildes anders als in Grönland auf Land liegen, welches sich unterhalb des Meeresspiegels befindet. Falls sich die Westantarktis destabilisieren sollte, könnte eine subglaziale Schmelze die Folge sein. Die Konsequenz einer solchen subglazialen Schmelze sowie der mechanischen Destabilisierung wäre das schnelle Kalben von enormen Massen von Eis. Bei einem Meeresspiegelanstiegspotenzial der Westantarktis von sieben Metern eine bedrohliche Vorstellung. „Solche Szenarien sind jedoch mit Vorsicht zu geniessen, da ein solch plötzliches Ereignis wiederum globale Phänomene wie beispielsweise die Meeresströmungen beeinflussen könnte, welche ihrerseits Auswirkungen auf das Klima haben“, erklärt Machguth.
Auch wenn die Folgen eines solchen Szenarios schwer abzuschätzen sind, sind die kurzfristigen Auswirkungen des Meeresspiegelanstieges schon heute erkennbar. Der Einfluss, welcher dieser Anstieg auf die gesamte Menschheit haben wird, wird nun langsam ersichtlich und spürbar. Folgen eines Prozesses, den man kaum mehr aufhalten, sondern höchstens noch eindämmen kann.