Gut schlafen während der Pandemie
«La Le Lu, nur der Mann im Mond schaut zu, wenn die kleinen Babys schlafen, drum schlaf auch du»… Stopp: Sie nicht! Zurück zum Mann im Mond: Zum Schlafbeobachter vom Erdtrabanten gesellt sich ein ganzes Team um das «Baby Schlaflabor» der Universität Freiburg. Ihr Ziel: Den Schlaf von Babys und Kleinkindern während des ersten Lockdowns der Covid-19-Pandemie untersuchen. Gesagt – getan, mit spannenden Ergebnissen und Erkenntnissen.
Nicole Basieux und Luisa Morell | 24.07.2021
Bild von Pixabay
Wer schon mal nicht ein- oder durchschlafen konnte, weiss, wie Schlafstörungen einem ans Lebendige gehen können. Kein Wunder, dass Schlafentzug auch immer wieder als Foltermethode eingesetzt wird. Sei es beispielsweise, um klares Denken zu unterbinden oder um den Willen sowie die Widerstandskraft einer betroffenen Person zu brechen und so allenfalls Aussagen zu erzwingen. Schlafentzug kann schon bei einem Erwachsenen sehr viele unangenehme Effekte und Nebenwirkungen provozieren.
Mehr Aufmerksamkeits- und Verhaltensprobleme
Auch bei Babys und Kleinkindern konnte in Studien gezeigt werden, dass das Schlafmuster offenbar eine Rolle spielt bei später festgestellten Aufmerksamkeitsproblemen oder Verhaltensauffälligkeiten. Die Schlafqualität im Kindheitsalter scheint massgeblich mit der Entwicklung des Gehirns zusammenzuhängen. Unbehandelte chronische Schlafstörungen könnten somit theoretisch zu einer Beeinträchtigung der Gehirnentwicklung, neuronalen Schäden und einem dauerhaften Verlust von Entwicklungspotentialen führen. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass Schlafverlust die Melatoninproduktion der Zirbeldrüse, die sich im Zwischenhirn befindet, beeinträchtigt, wie das Forscherteam um James E. Jan im Jahr 2010 vermutet hat.
Auch, wenn man Fruchtfliegen oder Mäuse nicht ausreichend schlafen lässt, zeigten diverse Studienergebnisse, dass ihre Leistungsfähigkeiten, wie zum Beispiel ihr Kurzzeitgedächtnis geschwächt oder ihre Reaktionen gehemmt sind. Schlaf ist also relevant für die Entwicklung und insbesondere für die Entwicklung des Gehirns, was einen wesentlichen Einfluss auf das spätere Verhalten von Kindern haben könnte. Was viele Studien zeigten, ist eine Korrelation mit chronischen Schlafproblemen im Vorschulalter und späteren Auffälligkeiten.
Lockdown als «Freilandexperiment»
Zurück in der Schweiz und zurück im Hier und Jetzt. Zurück in Zeiten des Coronavirus’. Wie veränderte sich der Schlaf bei Babys und Kleinkindern während des Covid-19-Lockdowns im vergangenen Frühling? Dieser Frage ging das Team der Schweizer SchlafforscherInnen um Salome Kurth und Andjela Markovic in einer Fragebogenstudie, die in fünf Sprachen übersetzt wurde, nach. 781 Familien mit 864 Kindern im Alter von null bis sechs Jahren haben an der Studie teilgenommen. Die StudienteilnehmerInnen erhielten ab April 2020 jeweils einmal im Monat einen Fragebogen, wobei die Eltern diesen dann ausgefüllt haben. «Wir haben mit dieser Studie zwei Perspektiven angeschaut: Zum einen wollten wir wissen, wie die ProbandInnen während des Lockdowns schlafen und zum anderen interessierte uns, wie sich der Schlaf vor dem Lockdown verhalten hat, also sozusagen eine Retrospektive», erklärt Andjela Markovic. «Und dann haben wir die beiden Perspektiven, also vor dem Lockdown und während des Lockdowns, miteinander verglichen und haben nach positiven wie negativen Faktoren, die den Schlaf beeinflussen, Ausschau gehalten.»
Besserer Schlaf dank Schutzfaktoren
Und siehe da, der Schlaf der Kinder veränderte sich signifikant während des Covid-19-Lockdowns. Und zwar schliefen die Kinder unter dem Strich schlechter. Als Grund dafür liess sich der Faktor Stress der Eltern, beispielweise durch Kurzarbeit oder fehlende Fremdbetreuung der Kinder etc., ausfindig machen, der sich dann negativ auf das Schlafverhalten der Kinder ausgewirkt hat. Jedoch konnten Kurth und ihr Team auch sogenannte Schutzfaktoren feststellen. Diese Faktoren wie zum Beispiel von den Eltern ausgeübte Achtsamkeitsübungen wie Yoga sowie die Anwesenheit von Geschwistern oder Haustieren, wirkten sich positiv auf das Schlafverhalten der Babys und Kleinkinder aus. Man kann also sagen, sie wirken als Schutz. Auch die mit den Kindern verbrachte Zeit beeinflusste den Kleinkinderschlaf positiv. Dabei spielte es keine Rolle, ob die Eltern die Zeit mit ihren Kindern aktiv oder bei einem Baby zum Beispiel passiv beim Arbeiten im Homeoffice verbrachten.
Stress lässt schlechter schlafen
«Wir können sagen, dass das Schlafverhalten in den ersten Wochen des Lockdowns akut schlechter geworden ist. Es hat sich jedoch innert eines Monats wieder verbessert. Und die positiven Folgen durch die Schutzfaktoren waren auch langfristig noch vorhanden», ergänzt Markovic. «Es gibt also einen Zusammenhang zwischen Stress und Schlaf», so die kurze Fassung. Spannend sei es nun, das Schlafverhalten in einen grösseren Kontext zu stellen und dies auch langfristig zu untersuchen und analysieren. Die Covid-19-Pandemie bietet in diesem Zusammenhang eine grosse Chance als echtes «Freilandexperiment». «Darum werden wir nun auch ein paar Monate nach dem Lockdown Fragebogen verschicken und diese dann auswerten», erklärt die junge Forscherin.
„Wir können sagen, dass das Schlafverhalten in den ersten Wochen des Lockdowns akut schlechter geworden ist. Es hat sich jedoch innert einem Monat wieder verbessert.“
Was verbindet Schlaf, Gehirn und Darm?
Das Team arbeitet auch mit dem Universitätsspital Zürich zusammen an einem anderen und nicht minder grossen Projekt. Und zwar interessiert es sich für den Zusammenhang zwischen Schlaf, Gehirn und Darm. Dazu führt das Forschungsteam eine aufwändige Studie durch, die mehrere Jahre lang dauert. Der Schlaf-Wach-Rhythmus soll mittels Sensoren unter anderem auch bereits beim Ungeborenen und seiner Mutter aufgezeichnet und analysiert werden.
Infobox: Aufruf zu neuer Studie – Machen Sie mit!
Das Forscherteam um die Assistenzprofessorin Salome Kurth sucht immer wieder nach interessierten Familien für weitere Studien.
«Das Babyschlaflabor an der Psychologischen Abteilung der Universität Freiburg in der Schweiz führt ein Forschungsprojekt durch, mit dem Ziel zu testen, ob und wie die aktuelle Covid-19-Pandemie den Schlaf von Kleinkindern beeinflusst.
Wir laden Sie herzlich ein, an unserer Online-Schlafstudie teilzunehmen, die etwa 20 Minuten dauern wird. Bei einer Verlosung können Sie tolle Geschenke gewinnen.»
– Video auf Deutsch: Link
– Vidéo en Français: Link
– Video in English: Link
Der Fragebogen kann auf Deutsch, Französisch und Englisch ausgefüllt werden unter: Link
Weiterführende Links:
– Youtube Film über die Studie
– Forschungsseite Universität Freiburg
– babysleep.ch
«Studien zeigen, dass die biologische Uhr, die unsere Schlaf-Wach-Rhythmen prägt, bereits vor der Geburt zu ticken beginnt. Über das Schlafverhalten eines Fötus wissen wir jedoch nur wenig. Die Messung des fötalen Schlafs soll daher Einblicke in die allererste Entwicklung der Schlafregulation geben», erläutert Salome Kurth. Das Forscherteam um Salome Kurth und Andjela Markovic setzt sich für eine optimale Entwicklung im Kindheitsalter sowie eine gute psychische Gesundheit – und für einen tiefen, gesunden Schlaf – ein. «La Le Lu, nur der Mann im Mond schaut zu, wenn die kleinen Babys schlafen, drum schlaf auch du»… Guten Schlaf… Gute Nacht…
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Bild von Pixabay
Wer schon mal nicht ein- oder durchschlafen konnte, weiss, wie Schlafstörungen einem ans Lebendige gehen können. Kein Wunder, dass Schlafentzug auch immer wieder als Foltermethode eingesetzt wird. Sei es beispielsweise, um klares Denken zu unterbinden oder um den Willen sowie die Widerstandskraft einer betroffenen Person zu brechen und so allenfalls Aussagen zu erzwingen. Schlafentzug kann schon bei einem Erwachsenen sehr viele unangenehme Effekte und Nebenwirkungen provozieren.
Mehr Aufmerksamkeits- und Verhaltensprobleme
Auch bei Babys und Kleinkindern konnte in Studien gezeigt werden, dass das Schlafmuster offenbar eine Rolle spielt bei später festgestellten Aufmerksamkeitsproblemen oder Verhaltensauffälligkeiten. Die Schlafqualität im Kindheitsalter scheint massgeblich mit der Entwicklung des Gehirns zusammenzuhängen. Unbehandelte chronische Schlafstörungen könnten somit theoretisch zu einer Beeinträchtigung der Gehirnentwicklung, neuronalen Schäden und einem dauerhaften Verlust von Entwicklungspotentialen führen. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass Schlafverlust die Melatoninproduktion der Zirbeldrüse, die sich im Zwischenhirn befindet, beeinträchtigt, wie das Forscherteam um James E. Jan im Jahr 2010 vermutet hat.
Auch, wenn man Fruchtfliegen oder Mäuse nicht ausreichend schlafen lässt, zeigten diverse Studienergebnisse, dass ihre Leistungsfähigkeiten, wie zum Beispiel ihr Kurzzeitgedächtnis geschwächt oder ihre Reaktionen gehemmt sind. Schlaf ist also relevant für die Entwicklung und insbesondere für die Entwicklung des Gehirns, was einen wesentlichen Einfluss auf das spätere Verhalten von Kindern haben könnte. Was viele Studien zeigten, ist eine Korrelation mit chronischen Schlafproblemen im Vorschulalter und späteren Auffälligkeiten.
Lockdown als «Freilandexperiment»
Zurück in der Schweiz und zurück im Hier und Jetzt. Zurück in Zeiten des Coronavirus’. Wie veränderte sich der Schlaf bei Babys und Kleinkindern während des Covid-19-Lockdowns im vergangenen Frühling? Dieser Frage ging das Team der Schweizer SchlafforscherInnen um Salome Kurth und Andjela Markovic in einer Fragebogenstudie, die in fünf Sprachen übersetzt wurde, nach. 781 Familien mit 864 Kindern im Alter von null bis sechs Jahren haben an der Studie teilgenommen. Die StudienteilnehmerInnen erhielten ab April 2020 jeweils einmal im Monat einen Fragebogen, wobei die Eltern diesen dann ausgefüllt haben. «Wir haben mit dieser Studie zwei Perspektiven angeschaut: Zum einen wollten wir wissen, wie die ProbandInnen während des Lockdowns schlafen und zum anderen interessierte uns, wie sich der Schlaf vor dem Lockdown verhalten hat, also sozusagen eine Retrospektive», erklärt Andjela Markovic. «Und dann haben wir die beiden Perspektiven, also vor dem Lockdown und während des Lockdowns, miteinander verglichen und haben nach positiven wie negativen Faktoren, die den Schlaf beeinflussen, Ausschau gehalten.»
Besserer Schlaf dank Schutzfaktoren
Und siehe da, der Schlaf der Kinder veränderte sich signifikant während des Covid-19-Lockdowns. Und zwar schliefen die Kinder unter dem Strich schlechter. Als Grund dafür liess sich der Faktor Stress der Eltern, beispielweise durch Kurzarbeit oder fehlende Fremdbetreuung der Kinder etc., ausfindig machen, der sich dann negativ auf das Schlafverhalten der Kinder ausgewirkt hat. Jedoch konnten Kurth und ihr Team auch sogenannte Schutzfaktoren feststellen. Diese Faktoren wie zum Beispiel von den Eltern ausgeübte Achtsamkeitsübungen wie Yoga sowie die Anwesenheit von Geschwistern oder Haustieren, wirkten sich positiv auf das Schlafverhalten der Babys und Kleinkinder aus. Man kann also sagen, sie wirken als Schutz. Auch die mit den Kindern verbrachte Zeit beeinflusste den Kleinkinderschlaf positiv. Dabei spielte es keine Rolle, ob die Eltern die Zeit mit ihren Kindern aktiv oder bei einem Baby zum Beispiel passiv beim Arbeiten im Homeoffice verbrachten.
Stress lässt schlechter schlafen
«Wir können sagen, dass das Schlafverhalten in den ersten Wochen des Lockdowns akut schlechter geworden ist. Es hat sich jedoch innert eines Monats wieder verbessert. Und die positiven Folgen durch die Schutzfaktoren waren auch langfristig noch vorhanden», ergänzt Markovic. «Es gibt also einen Zusammenhang zwischen Stress und Schlaf», so die kurze Fassung. Spannend sei es nun, das Schlafverhalten in einen grösseren Kontext zu stellen und dies auch langfristig zu untersuchen und analysieren. Die Covid-19-Pandemie bietet in diesem Zusammenhang eine grosse Chance als echtes «Freilandexperiment». «Darum werden wir nun auch ein paar Monate nach dem Lockdown Fragebogen verschicken und diese dann auswerten», erklärt die junge Forscherin.
„Wir können sagen, dass das Schlafverhalten in den ersten Wochen des Lockdowns akut schlechter geworden ist. Es hat sich jedoch innert einem Monat wieder verbessert.“
Was verbindet Schlaf, Gehirn und Darm?
Das Team arbeitet auch mit dem Universitätsspital Zürich zusammen an einem anderen und nicht minder grossen Projekt. Und zwar interessiert es sich für den Zusammenhang zwischen Schlaf, Gehirn und Darm. Dazu führt das Forschungsteam eine aufwändige Studie durch, die mehrere Jahre lang dauert. Der Schlaf-Wach-Rhythmus soll mittels Sensoren unter anderem auch bereits beim Ungeborenen und seiner Mutter aufgezeichnet und analysiert werden.
Infobox: Aufruf zu neuer Studie – Machen Sie mit!
Das Forscherteam um die Assistenzprofessorin Salome Kurth sucht immer wieder nach interessierten Familien für weitere Studien.
«Das Babyschlaflabor an der Psychologischen Abteilung der Universität Freiburg in der Schweiz führt ein Forschungsprojekt durch, mit dem Ziel zu testen, ob und wie die aktuelle Covid-19-Pandemie den Schlaf von Kleinkindern beeinflusst.
Wir laden Sie herzlich ein, an unserer Online-Schlafstudie teilzunehmen, die etwa 20 Minuten dauern wird. Bei einer Verlosung können Sie tolle Geschenke gewinnen.»
– Video auf Deutsch: Link
– Vidéo en Français: Link
– Video in English: Link
Der Fragebogen kann auf Deutsch, Französisch und Englisch ausgefüllt werden unter: Link
Weiterführende Links:
– Youtube Film über die Studie
– Forschungsseite Universität Freiburg
– babysleep.ch
«Studien zeigen, dass die biologische Uhr, die unsere Schlaf-Wach-Rhythmen prägt, bereits vor der Geburt zu ticken beginnt. Über das Schlafverhalten eines Fötus wissen wir jedoch nur wenig. Die Messung des fötalen Schlafs soll daher Einblicke in die allererste Entwicklung der Schlafregulation geben», erläutert Salome Kurth. Das Forscherteam um Salome Kurth und Andjela Markovic setzt sich für eine optimale Entwicklung im Kindheitsalter sowie eine gute psychische Gesundheit – und für einen tiefen, gesunden Schlaf – ein. «La Le Lu, nur der Mann im Mond schaut zu, wenn die kleinen Babys schlafen, drum schlaf auch du»… Guten Schlaf… Gute Nacht…
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Autorin
Nicole Basieux
Illustratorin
Luisa Morell
Expertin Uni Freiburg
Andjela Markovic
Expertin Uni Freiburg